flüchtig


was ein paar tropfen
was ein wenig meer so 
wandeln kann in der ferne
zeiger mit beweglichem flügel
über sand tief gebeugte äste


wind leckt an trockener rinde
beweg dich, flieh ...
flüchtende wipfel in richtung
land, abstand zum längst
vergessenen spiel mit dem himmel


ein einziges Boot mit lausigem
fang, abgespeckt der fischer
die netze versalzen vergib mir
vergiß mich, ich bin nur ausdauernd
wasser doch meer bin ich nicht

 

 

stiegenhausblues


ich baue ein haus aus licht
inmitten von hauptverkehrsstraßen
ich bringe sterne mit & luft
ich bringe sprache in alle
stockwerke


rauhfaserfarbene worte schlag
ich aus unverputzten wänden
ich verstehe längst nicht genug
vom handwerk, ich sammle
backsteine auf abraumhalden


berge von schutt & metall
ziehe worte magnetisch an
kleide sie ein – ein taufkleid
sollen sie tragen & und namen
die noch keiner kennt


ich baue ein haus, ich öffne türen
licht fällt herein & am boden
spuren von vorstellungskraft 
ich klaube die hellen klaren heraus
alles spricht und springt mir bei


 

 

Land unterm Meer


Lockvogelrufe – so klingen
Legenden aus Zeilen aus-
gedachte Räume


die letzten Möbel verhüllt mit weißem Tuch
damit kein Staub eindringt in die
Tiefe der Edelhölzer, des seidenen Sitzbezugs


schmale Gänge lange Tunnel
Straßen unter Wassermassen
keine Fahrt ohne Licht


überblendete Bilder spiegeln Raum
auf den Dächern fließen Ziegel davon
eine Herberge, eher ein Aufenthaltsort


der Mantel hängt noch am Haken
die Schuhe stehen unverrichteter Dinge
die Wege schon in der Wiege vor-


geschrieben, schon vor der Zeugung
alles entschieden die Wiegenlieder
abgesungen, seht! eine Wassergeburt

 

ins Meer gefallen eine Kruste aus
Salz und Blut und Schwimmhäute
zwischen den Zehen


kann nicht in Schuhen gehen
muss auf Flossen stehen führt
weder Erd- noch Wasserleben

 

 

verbannung

 

aus zerbrochenen krügen und
schalen ein scherbengericht
es war einmal
heute ritzen sie
ihr urteil direkt ins fleisch
durch die körperhülle
bis ins innere tonsplitter
gesänge
ein flötenspiel
es war einmal
eine laute


wichtigkeit fällt
eine hohe leiter herab
größe zeigt sich
im kleinen zeigt sich
unten im staub
es war einmal
es hört nie auf
richter statt kläger
die einen schreien
die anderen schweigen
kein laut und
einer (ist keiner)
der geht

 

 

aufruf


die geister die ich rief
und deren kinder
und kindeskinder
und das kleinvieh
und das heu in der krippe


vor der tür vor dem haus
sind die tonnen gefüllt
wachsen scheiterhaufen und
der hund hebt das bein
löscht die lichter aus


wer die lanze bricht
für die geister im raum
hisst die fahnen lässt
die boote zu wasser
wirft die netze aus


zeugt im bauch des wals
neue geister und gehorcht
dem fischer der wasser zu wein
und das brot aus der krippe
verteilt und die weisen heilt


 

Anbahnung


Das Leuchten zwischen den Häuserwänden
eine schwingende Membran
innen gingen die Bewohner wie Diebe
die an ihrer Beute verzagten


in zitternden Räumen auf und ab
Riegel wurden vorgeschoben kein Laut
zu hören nur draußen diese Töne
zwischen Beton und Glas


Durch die Flure huschten Ratten
oder waren es Eidechsen?
Auf dem Herd in der Küche
brodelte leise Nachtschattensuppe


Draußen die Lichthaut zwischen den
Mauern versuchte der Klang sich
zu dehnen als einer es wagte hinaus zu
treten glitt er aus stürzte


hinein und federte auf und ab
Drinnen hörte man auf in der Suppe
zu rühren man lauschte - zu hören
war der beginnende Tag - er rauschte.


 

 

rundreise

 

am rand stehen
schauen
wie alle sich bewegen
blickpunkte aussichten
absehen maß nehmen
einen abstand her-
und hinstellen durch
dringen und schreiben
verzweigen mit
großen augen ablichten und
vervielfältigen
hände erheben hände ringen


überm blatt sammeln
luflinien sichten
an unbelichteten orten
langsamer gehen warten
spaliere flankieren bereiche
in mir reifender gebilde
abwägen
nährstoffe heraus lesen
pflücken, wiegen
pfundweise verschlingen
lustschneise wort leise
messerklingen

 

 

 

ich verstehe die nacht nicht

 

ich verstehe die nacht nicht
sehe gelöschte wolken über einer staubschicht
aus zwielicht genährt von großstadtneon
der impuls ist eindeutig: ein herz

 

fassen & gehen
da ein mond & die sterne & alles
erbleicht weil die stadt im vordergrund
farbe verstreicht jeden augenblick mit netzen verhängt

 

ich steige vorsichtig über geräusche hinweg
streife tagtemperaturen ab gleite durch
die straßen mir fehlt erde nur asphalt
unter den füßen & die halbe welt auf den beinen

 

 

eine vorstellung von

 

niemand
im regen stehend
niemand hochnäsig
oder lactoseintolerant
niemand
ohne makel
oder wegen anomalie
ab-sonderbar


oder


eine vorstellung von
niemand
bleich auf dem kahlen boden
liegend
ausgedehnt über mindestens
2 große trittplatten
das pech hervor-
kratzend
aus den
gehwegritzen


oder


einer -
ein niemand
im geiste
der verglaste gesichts-
masken mit sich führt
die immer wieder
zerbrechen
weil die welt
lieber vollkommen
verschleiert
als  vorsichtig gläsern
geht.